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Die Blase Platzt Nicht

IMMOBILIEN IN CHINA: Fünf Gründe, weshalb die Blase nicht platzt, sondern bloss Luft ablässt, und zwei Vorschläge, wie der Anleger in chinesische Liegenschaften investieren kann.

Shanghai

ATEMBERAUBENDER BLICK Der Westanflug zum Pudong-Flughafen in Schanghai bietet eine eigenartige Aussicht. Über viele Kilometer hinweg erstreckt sich so etwas wie ein Legoland. Quartier um Quartier reiht sich aneinander, praktisch identisch aussehend mit mehreren Zeilen akkurat angeordneter Wohnblöcke von fünf bis rund dreissig Stockwerken. Den Höhepunkt erreicht der Ausblick am Huangpu-Fluss, wo die Wolkenkratzer stehen.

Das Bild in Wenshang, einer kleineren Provinzstadt im Westen Chinas, ist nicht so spektakulär, aber dennoch ähnlich. Überbauungen mit 5000 Wohnungen und mehr werden in legomässiger Anordnung aus dem Boden gestampft. Es wird Wohnraum in für europäische Verhältnisse unvorstellbarem Ausmass gebaut. Viele der neuen Wohnblöcke in ganz China scheinen leerzustehen. Ein Zeichen für fehlallozierte Investitionen und eine riesige Blase? Und: Gilt nicht auch, je höher die Wolkenkratzer, desto näher der Kollaps?

Was auf den ersten Blick so aufgeblasen erscheint – Dylan Grice von Société Générale spricht gar von der «grössten aller Immobilienblasen» –, hat jedoch verschiedene Facetten. Es gibt viele Fehlinvestitionen. Das ist in einem Land, das sich so schnell verändert, nicht vermeidbar. Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten zwanzig Jahre ist ein noch nie dagewesenes ökonomisches und soziales Experiment – in Bezug auf Grössenordnung und Tempo. Fehler kommen vor, ohne dass die ganze Entwicklung dadurch gefährdet wird.

Ein Platzen der Immobilienblase hätte desaströse Folgen nicht nur für China, sondern für die ganze Weltwirtschaft. Doch es gibt fünf Gründe, die gegen ein Platzen sprechen.

SCHON GEPLATZT Peking hat auf die Überhitzung reagiert und den Immobilienmarkt durch die Steuerung der Zinsen und des Mindestreservesatzes für Banken abgekühlt. Zwischen Januar 2010 und Juni 2011 wurde der Mindestreservesatz von 15 auf 21% angehoben, inzwischen wurde er wieder auf 20% gesenkt. Dazu kamen Auflagen wie die Anhebung der Eigenkapitalquoten oder das Verbot des Zweitwohnungserwerbs sowie strengere Gesetze zum Landkauf für Immobilienentwickler.

Die Preise sind gesunken, je nach Region oder Stadt mehr oder weniger. Gemäss Andy Xie, früher Chefökonom Asien/Pazifik von Morgan Stanley und heute unabhängiger Ökonom in Schanghai, hat die Regierung den Markt gezielt vor seinem natürlichen Höhepunkt gedeckelt. Spekulanten, die in der Erwartung erneut steigender Preise immer noch viele Liegenschaften halten, könnten enttäuscht werden. Xie erwartet, dass die Regierung auch bei sich abschwächendem Wirtschaftswachstum die Restriktionen nicht lockert, um den Preisanstieg nicht wieder anzuheizen.

DIE REGIERUNG Im März hat Premier Wen Jiabao an einer Pressekonferenz des National People’s Congress gesagt: «Die Immobilienpreise sind noch weit entfernt von einem vernünftigen Niveau.» Das bekräftigt Xies Erwartung der anhaltend restriktiven Politik. Die Regierung hat aus Angst vor Unruhen ein enormes Interesse daran, Wohnraum für die Bevölkerung erschwinglich zu halten, und fördert den sozialen Wohnungsbau massiv. Peking kann Massnahmen schnell und effizient durchsetzen und verfügt über die Geldmittel, stützend einzugreifen und Banken zu rekapitalisieren, um ein allfälliges Überschwappen von Problemen auf andere Sektoren einzudämmen.

Gemäss den Chinaexperten von UBS Investment Research findet zurzeit eine Feinabstimmung statt: Einerseits wurde die Vergabe von Ersthypotheken im Frühjahr etwas gelockert, anderseits haben Städte wie Schanghai und Wuhu bestimmte Lockerungen bereits rückgängig gemacht. Zudem unterscheidet die Politik zwischen «normalen» und «Luxusobjekten». Die UBS-Analysten rechnen mit einem Rückgang des Verkaufs und des Neubaus von Wohnungen um 10 bis 15% in diesem Jahr. Die Schwächung von Bauindustrie und Investitionswachstum werde jedoch durch den sozialen Wohnungsbau abgefedert. Es ist also mit einer sanften und nicht mit einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft zu rechnen.

KEINE KREDITBLASE Für Charles Isaac von B&I Capital in Zürich, einer auf asiatische Immobilien spezialisierten Beratungs- und Investitionsgesellschaft, ist die Voraussetzung für eine Blase, dass die Immobilienpreise schneller steigen als die Einkommen – die Lücke also mit einem grösseren Kreditvolumen geschlossen werden muss. In China ist das nicht der Fall. Zudem sind die Eigenkapitalanforderungen für Private hoch. Sie betragen im Landesschnitt mindestens 40%, für Zweitwohnungen 60%. Viele Käufer liefern jedoch noch mehr Eigenmittel, gemäss Isaac auch wegen fehlender Investitionsalternativen.

Bei den Immobilienentwicklern sieht die Situation schlechter aus. Sie stehen bei den staatlichen Banken tief in der Kreide. Gemäss Xie verzichten die Banken jedoch oft auf Forderungen, und viele Entwickler seien faktisch pleite. Die Marktschwäche wird ausgesessen und (und mithilfe staatlicher finanzieller Repression) schrittweise abgebaut.

DIE URBANISIERUNG Werden in Wenshang 5000 neue Wohnungen gebaut, muss das keine Fehlinvestition sein. In der Region wird ein riesiger Industriepark entwickelt, der Tausende von Arbeitsplätzen schaffen wird. Diese Arbeiter und ihre Familien – und auch die von den Äckern vertriebenen Bauern – brauchen Wohnraum. Seit Ende der Siebzigerjahre ist der Anteil der Städter an der Gesamtbevölkerung von 18 auf heute mehr als 50% gestiegen. Gemäss Weltbank werden es 2035 65% sein – 300 Mio. mehr.

IM ROHBAU Was leersteht und von westlichen Beobachtern als Überkapazität gewertet wird, hat oft schon einen Besitzer. In China werden Eigentumswohnungen meist im Rohbau gekauft. Der Käufer übernimmt den Ausbau selbst, was zwei Jahre dauern kann. In der Zwischenzeit stehen die Wohnungen leer.

WIE INVESTIEREN Aktien von chinesischen Immobiliengesellschaften sind eine Möglichkeit, am grössten Immobilienmarkt der Welt zu partizipieren. Verschiedene Unternehmen sind auch in Hongkong und Singapur kotiert, die Aktien sind somit einfach zu erwerben. Charles Isaac relativiert jedoch: «Wer solche Titel kauft, trägt auch ein hohes Managementrisiko. Die Qualität der Geschäftsleitung ist oft nur schwer zu bewerten.» Er zieht Investitionen in Reits vor. Reits (Real Estate Investment Trusts) sind Immobilienaktiengesellschaften mit kotierten Beteiligungen. Isaac: «Sie weisen eine tiefere Volatilität als Aktien einzelner Entwickler auf und sind weniger mit anderen Anlageklassen korreliert. Auch die Performance ist besser.» Reits bieten eine bondähnliche Rendite und eine gute Verwaltung. Der asiatische Reits-Markt sei im Verhältnis zum Potenzial noch klein, die Bewertung attraktiv. Wegen regulatorischer Beschränkungen gibt es in China selbst noch keine Reits, aber mehrere in Singapur und Hongkong kotierte, die sich auf chinesische Immobilien beziehen.

Einen anderen Ansatz verfolgt Andries Diener, Partner von Diener Syz Real Estate, einer auf asiatische Immobilien spezialisierten Firma mit Büros in Schanghai, Hongkong und Zürich. Andries Diener ist vor sieben Jahren nach Schanghai gezogen und investiert mit lokalen Partnern in Bauvorhaben. Er erklärt: «Wir investieren direkt in Immobilienprojekte in China. Die Auswahl geeigneter Vorhaben erfordert viel Erfahrung und Geduld. Die Wahl der Geschäftspartner ist von grösster Wichtigkeit.»

Zurzeit steht Diener vor einem grossen Geschäftsabschluss für die Mitfinanzierung eines Projekts in einer Provinzstadt, das Wohnungen und Geschäfte umfasst und nachhaltigen Kriterien entspricht. «Wir sind sehr nahe am Markt und auch in vergleichsweise kleinen Städten aktiv, wo noch sehr viel Entwicklungspotenzial vorhanden ist.» Ob ein Engagement in Reits oder Private Equity – der Investor ist gut beraten, nur Anbietern mit grosser Erfahrung und genauen Marktkenntnissen sein Geld anzuvertrauen.

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